Eduard Imhof

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Eduard Imhof.jpgSchulkarte 1965 Ausschnitt.jpg

Prof. Eduard Imhof (1895-1986), ETH-Professor für Kartografie ist weltberühmt für seine Grundsätze und Technik für ästhetisch hervorragende Karten (vgl. z.B. oben Schulkarte der Schweiz 1:500'000 von Imhof). Imhof hat sich für eine benutzer- und kartengerechte Schreibweise von Lokalnamen eingesetzt. Seine Forderungen decken sich mit den heutigen Forderungen an diese Namen als Geoinformation.


Prof. Eduard Imhof hat massgeblich an den Schreibregeln Weisungen 1948 mitgewirkt, aus welchen dann Weisungen 2011 entstanden sind.


Eduard Imhof


Publikationen zum Thema Schreibweise von Lokalnamen (Flurnamen):

  • Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten, von Prof. Ed. Imhof. Sonderabdruck aus der "Schweizerischen Zeitschrift für Vermessungswesen und Kulturtechnik". Hefte Nr. 5, 6, 7, 8 und 9, Jahrgang 1945
    • Kap. I Mundartliche oder schriftsprachliche Schreibweise.
    • Kap. II-IV II. Fehlerberichtigungen und massgebende Quellen, III. Rechtslage und behördliche Regelungen IV. Einige Beiträge zu eidgenössischen Nomenklatur-Grundsätzen.
  • Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage, von Eduard Imhof. In: Geographica Helvetica. Bern. Jg. 3, 1948. S. 107-109
  • Näheres zu Eduard Imhof in Bezug auf die Schreibweise von Lokalnamen

Erkenntnisse von Eduard Imhof zur Schreibung von geografischen Namen

Eduard Imhof hatte nicht nur ein besonderes Flair für ästhetisch hervorragende Karten, sondern hatte sich mit den geografischen Namen, einem der wichtigsten Kartenelemente, eingehend auseinander gesetzt und ist zu folgenden grundlegenden Erkenntnissen gekommen (Quelle):

  • Schreibweisen von geografischen Namen in Bezug auf den Gebrauch und in Bezug auf die Kartierung auf amtlichen Karten und Plänen:
    • Die Schreibformen der Ortsnamen haben sich vielfach ausserhalb der Karte und unabhängig von dieser entwickelt. Dieser «auswärtige» Bereich ist unvergleichlich weitschichtiger. Tausende von Ortsbezeichnungen sind in Hunderttausenden von geschriebenen und gedruckten Texten, Aufschriften, in Verwaltungs-, Gerichts- und Grundbuchakten, in militärischen und technischen Dokumenten, in Firmen-, Gasthof- und Strassenbezeichnungen, in Namen- und Adressverzeichnissen, in der Literatur und in gesetzlichen Erlassen verankert.
  • Sprachrealität der Namen (mundartliche und schriftsprachliche Sprachrealität)
    • Zahllose Örtlichkeiten besitzen zwei verschiedene, allgemeingebräuchliche Bezeichnungen, eine mundartliche und eine schriftsprachliche. Beide sind «sprachliche Wirklichkeit».
  • Problematik der Schreibweise von Mundartschreibung
    • Überdies ist die Mundart überhaupt eigentlich nicht schreibbar, da sich das Leben nicht in zwei Dutzend tote Buchstaben fassen lässt.
    • Im geschlossenen Zusammenhang mundartlicher Rede versteht jeder Deutschschweizer den Sinn der folgenden Ausdrücke: Für (oder Fir), Bom, Bu, Su, Sagg, Brigg, Stogg, Grot, Ror, Höli, Drägg, Bone, Sagi, tüf (oder teuf oder täif), Chüetel usw. Treten sie aber, so wie es der Karte der Fall wäre, in isoliert stehenden Wörtern und Wortverbindungen auf, so muten sie eher chinesisch an.
    • Der Sprachforscher darf in solchen Fragen nicht nur auf seine eigene Erfahrung bauen. Die amtlichen Pläne und Karten haben nicht nur ihm, sondern vor allem der Allgemeinheit zu dienen. Und überdies möchte sich auch ein Welschschweizer und ein Tessiner in den Karten der deutschen Schweiz einigermassen zurechtfinden können. Eine gewisse allgemein gültige, allgemein vertraute Normierung ist unentbehrlich; diese aber besitzen wir in der Schriftsprache.


Schulkarte ZH 1963 Imhof.jpg

Schulkarte 1:150 000 Kanton Zürich Ausgabe 1963 von Eduard Imhof

Die rot unterstrichen Namen auf obiger Schulkarte haben eine besondere Bewandtnis: ca. 1955-1970 wurden in der Landeskarte die herkömmliche Schreibweise von bedeutenden Namen wie obige Namen in die mundartliche Schreibung geändert und mussten dann später nach ca. 15 Jahren wieder rückmutiert werden:


Erscheinen geografische Namen wie die oben genannten in einer Karte 1:150'000, so darf davon ausgegangen werden, dass die Namen mehr als nur geringe, lokale Bedeutung aufweisen und grundsätzlich gemäss Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 in der herkömmlichen Schreibweise belassen werden müssten.

Katzensee See 2.jpg

Imhof hielt an der eingebürgerten Schreibweise Katzensee fest. Heute finden sich auf der Landeskarte die Schreibweisen Chatzensee und Gut Katzensee.


Eduard Imhof hatte auf der Schulkarte des Kantons Zürich 1963 die Schreibweisen Uetliberg, Pfannenstiel und Katzensee belassen, obwohl die Landestopografie deren Schreibweise auf der Landeskarte geändert hatte. Wahrscheinlich war sich Imhof bewusst, dass sich die neuen Schreibweisen dem Artikel 5 der Weisungen 1948 widersprechen und sich nicht durchsetzen werden und früher oder später wieder rückmutiert werden müssen. Bei Pfaffhausen und Gockhausen war Imhof weniger mutig zu erahnen, dass sich ein Pfaffhusen und Gockhusen ebenfalls nicht durchsetzen können (vgl. Art. 4 Abs. 1 GeoNV allgemeine Akzeptanz) und hat daher die neue Schreibweise übernommen.


Analog Uetliberg, Pfannenstiel, Katzensee, Pfaffhausen und Gockhausen sind im Kanton Thurgau zwischen ca. 1995 und 2005 zahlreiche Orts- und Flurnamen entgegen Weisungen 1948 geändert worden.

Weisungen 1948

  • Artikel 5 Namen, denen infolge ihrer geographischen, historischen oder literarischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukommt, und solche, an welchen mehrere Kantone beteiligt sind (Bergketten, wichtigere Berge, Flüsse, Seen, Gletscher, Täler, Landschaften Alpenpässe, Bergübergänge), sind zur Vermeidung von Missverständnissen nach Möglichkeit in der herkömmlichen, allgemein üblichen Schreibweise zu belassen.
  • Artikel 7 Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln.


Weisungen 2011

  • Artikel 5 Namen, denen infolge ihrer geographischen, historischen oder literarischen Bedeutung ein allgemeines Interesse zukommt, und solche, an welchen mehrere Kantone beteiligt sind (Bergketten, wichtigere Berge, Flüsse, Seen, Gletscher, Täler, Landschaften, Alpenpässe, Bergübergänge), sind zur Vermeidung von Missverständnissen nach Möglichkeit in der herkömmlichen, allgemein üblichen Schreibweise zu belassen.
  • Artikel 7 Die Schreibung der Namen von lokaler Bedeutung, für die keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln.


Roosetaal LK 200.jpg

Beispiel Roosetaal in der Landeskarte 1:200'000

Die Schreibweise Roosetaal widerspricht den Art. 5 und Art. 7 der Weisungen 1948. Die herkömmliche Schreibweise Rosental hätte unbedingt belassen werden müssen.

Würde Rosental gemäss Anhang zu Art. 7 der Weisungen in normalisierter Mundart geschrieben, wäre die Mundartschreibweise nicht Roosetaal sondern Rosental, identisch der herkömmlichen Schreibweise. Wären die Weisungen 1948 eingehalten worden, hätte sich die Frage, ob Rosental und viele weitere Namen geringe oder grosse Bedeutung aufweisen, gar nicht gestellt. Zahlreiche nach Weisungen 1948 geschriebene Namen sind in der Mundartform allgemein identisch mit der herkömmlichen Schreibweise (vgl. Orts- und Flurnamen der Stadt Chur).

Während mit Einhaltung der Weisungen 1948 im Kanton Thurgau bedeutend weniger Namen hätten geändert werden müssen (auch da zahlreiche Namen auf der Landeskarte bereits gemäss Weisungen 1948 geschrieben waren), würden gemäss 1948 geschriebene Mundartschreibweisen viel besser zu den herkömmlich geschriebenen Namen passen (vgl. Roosetaal passt nicht zu den übrigen Namen) und die allgemeine Akzeptanz wäre wesentlich grösser.

Weisungen 1948 kommen dem Grundsatz Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über geografische Namen (GeoNV) entgegen, möglichst wenige Namen zu ändern.

Vergleiche dazu auch 2 wichtige Aspekte aus der Zeitschrift Schweizerdeutsch

  • Beharrungsvermögen der Namen, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt: ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will.
  • Starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat: er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben. Wie der Pfannenstiel am Zürichsee, für den sich die Schreibung Pfannenstil der Landeskarte nicht durchgesetzt hat.

Dieses Beharrungsvermögen der Namen und die Bindung ihrer Träger an die überlieferte Schreibung sind es, die zu Kontroversen führen, wie die wie die Zeitungen sie jetzt aus dem Thurgau melden.

Beharrungsvermögen der Namen und starke Bindung der Bevölkerung an die Namen

Zeitschrift für Sprache in der deutschen Schweiz, Ausgabe 2/2009: Ruedi Schwarzenbach, Namenstreit im Thurgau.

Schwarzenbach schreibt auf Seite 11 der erwähnten Zeitschrift: «Die Dokumentation «Geschichte Schreibweise Lokalnamen» der Hochschule Rapperswil sieht Konflikte zwischen drei Ansprüchen an die geographischen Namen.» Schwarzenbach zitiert diesen Text und fährt anschliessend so weiter:

Zwei Faktoren fehlen in dieser Analyse:

Zum einen das Beharrungsvermögen der Namen, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt. Ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will.

Zum andern fehlt die starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat. Er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben. Wie der Pfannenstiel am Zürichsee, für den sich die Schreibung Pfannenstil der Landeskarte nicht durchgesetzt hat.

Dieses Beharrungsvermögen der Namen und die Bindung ihrer Träger an die überlieferte Schreibung sind es, die zu Kontroversen führen, wie die Zeitungen sie jetzt aus dem Thurgau melden.


Weisungen 1948

Imhof setzte sich für Kompromiss ein

Imhof hat sich im Nomenklaturstreit 1947/48 für die Weisungen 1948 zur Schreibweise von Lokalnamen eingesetzt. Diese lassen mehr Raum für Mundart zu als in seinen unten aufgeführten Grundsätze und Empfehlungen vorgesehen sind. Die Weisungen 1948 stellen einen Kompromiss dar zwischen dem Zweck der Orientierung auf Karten und Plänen und den Anliegen der Namenforschung.

Zitat aus "Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage":

Sprachliche Einheitlichkeit wird durch meine Vorschläge nicht erreicht. Dieses Mangels bin ich mir bewusst. Jede Vermischung von Mundarten und Schriftsprache muss den sprachlich geschulten Kartenbenützer unsympathisch sein. Es wäre jedoch ein tragischer Irrtum, zu glauben, sprachliche Einheitlichkeit sei in der Plan- und Kartenbeschriftung der deutschen Schweiz überhaupt erreichbar. Eine kompromissfreie Lösung wäre nur in einer mundartlichen Spezialkarte mit phonetischen Lautzeichen möglich. Hoffen wir, dass auch eine solche nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Anstelle von Spezialkarte mit phonetischen Lautzeichen, stehen heute Multimedia-Anwendungen im Vordergrund vgl. Multimedienanwendungen


Mängel an Weisungen 1948?

Die Etablierung von Entwürfen zu neuen Schreibregeln wie Toponymische Richtlinien und Leitfaden Toponymie wurden damit begründet, dass die Weisungen 1948 anscheinend Mängel und Widersprüche aufweisen. Dies ist aus Sicht der Benutzer kaum der Fall, abgesehen davon, dass sie aus Sicht der Benutzer bezüglich Mundart eher zu weit gehen und die Empfehlungen von Imhof nur teilweise enthalten. In gewissen Nomenklaturkreisen besteht das Interesse, die Schreibweise von Lokalnamen vom pragmatischen Ansatz von Eduard Imhof zum wissenschaftlichen Ansatz (lautnahe, wissenschaftliche Schreibeweise im Sinne eines Namenbuches) zu ändern (Details vgl. hier.) Aus obigem Zitat von Eduard Imhof «Jede Vermischung von Mundarten und Schriftsprache muss den sprachlich geschulten Kartenbenützer unsympathisch sein» dürfte eher davon ausgegangen werden, dass die pragmatische Schreibweise der Weisungen 1948 gewissen Sprachwissenschaftlern einfach unsympathisch ist. Als Argument für besonders lautnahe Mundart wurde die grosse kulturhistorische Bedeutung der Lokalnamen als Kulturgut ins Feld geführt. Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar (vgl. hier). Bei Orts- und Flurnamen auf amtlichen Karten und Plänen handelt es sich um Referenznamen für die Verständigung und Orientierung, was bei der Schreibweise unbedingt berücksichtigt werden muss. Sind die Einschränkungen aus Sicht der Namenforschung zu gross, empfiehlt sich die Etablierung von eigenständigen Fachebenen der Namenforschung, welche bezüglich Flexibilität, Vollständigkeit, Umfang und Historisierung wesentliche Vorteile bieten würden.


Weisungen 1948 nicht ändern

Auch wenn die Weisungen 1948 nur teilweise den Empfehlungen von Imhof entsprechen, sollen sie als Kompromisslösung nicht geändert werden. Die Verordnung über die geografischen Namen (GeoNV) verlangt, dass Änderungen an der Schreibweise von geografischen Namen nur im öffentlichen Interesse zulässig sind. Das öffentliche Interesse zeigt sich, wenn in jedem Fall die volkswirtschaftlichen Kosten und alle Konsequenzen für jede vorliegende Variante aufgelistet werden. Die Weisungen 1948 wurden tatsächlich nicht geändert, sondern wurden am 1. August 2011 als Weisungen 2011 übernommen.


Forderungen von Imhof decken sich mit heutigen Forderungen an geografische Namen als Geoinformation

Die Forderungen von Eduard Imhof aus kartografischer Sicht decken sich mit den heutigen Forderungen an geografische Namen als Geoinformation, welche für Navigationsgeräte und digitale Suche in Online-Karten eine immer grösser werdende Rolle spielen. Leider wurde in der Zeit von ca. 1995 bis 2005 die Schreibung von Lokalnamen zu sehr als rein sprachliche Angelegenheit betrachtet und die Anliegen der Geoinformation wurden zu wenig stark vertreten. Der Bund konnte nicht verhindern, dass sich einzelne kantonale Nomenklaturkommissionen nicht an die Weisungen 1948 hielten, in deren Anwendung weit über das Ziel hinausschossen und viel zu viele Namen änderten. Als Gegenmassnahme wurde in der bisherigen Verordnung von 1970 über Orts-, Gemeinde- und Lokalnamen folgende Regelung getroffen: (Art. 5) «Ist das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport im Hinblick auf die gebotene Einheitlichkeit in den Landeskarten nicht mit der von einem Kanton vorgeschlagenen Schreibweise einverstanden, so versucht es, sich mit ihm zu verständigen. Kommt keine Einigung zustande, so bestimmt es die Schreibweise in den Landeskarten.» Unterschiedlichen Schreibweisen für eine bestimmte Örtlichkeit sind aus Sicht der Geoinformation nicht mehr haltbar. Eine bestimmte Örtlichkeit sollte eine einheitliche Schreibweise aufweisen (vgl. vertikale Harmonie).


In der neuen Verordnung über geografische Namen (GeoNV) ist neu geregelt, dass die Landeskarte die Schreibweise der amtlichen Vermessung für die ausgewählten Namen übernimmt. Hier sollte zuerst eine Bereinigung auf Stufe amtlicher Vermessung stattfinden, da sonst allfällige unzweckmässige und nicht etablierte Schreibweisen aus der amtlichen Vermessung in die Landeskarte übernommen werden. Da die Schreibweise auf der Landeskarte in der Praxis vielfach mehr Bedeutung hat, als die Schreibweise in der amtlichen Vermessung, dürfte die Übernahme von ungeeigneten Schreibweisen bei den Benutzern der Geoinformation grosse Verwirrung stiften und Unsicherheiten verursachen.


Die heutige breite Verwendung von Online-Karten und Navigationsgeräten, die elektronische Sucheinrichtungen nach Lokalnamen (z.B. map.geo.admin.ch), die Kombinationsmöglichkeit verschiedenster geografischer Namen sowie die hohen Erwartungen der Benutzer an allgemein akzeptierte, zuverlässige und stabile Schreibweisen von geografischen Namen, dürfte den Druck auf die zuständigen Behörden auf einheitliche und korrekte Schreibweisen von geografischen Namen in Zukunft noch wesentlich verschärfen.


Empfehlungen Eduard Imhof zur Schreibung von Lokalnamen (Flurnamen)

Grundsätze

Eduard Imhof hatte bereits 1945 einige Beiträge für eidgenössische Nomenklatur-Grundsätze geliefert, vgl. "Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten)

Kap. IV Einige Beiträge zu eidgenössischen Nomenklatur-Grundsätzen (Seite 21)

  1. Geltungsbereich: Die eidgenössischen Nomenklaturgrundsätze sollen Gültigkeit besitzen sowohl für die Planwerke der Grundbuchvermessung, wie für die amtlichen Landeskarten. Die kantonalen Erlasse sind ihnen anzupassen.
  2. Grundlegende Bestimmungen: Die Schreibweise der Plan- und Kartenbeschriftung soll so weit wie möglich nach den für den übrigen schriftsprachlichen Verkehr gültigen amtlichen Regeln erfolgen. (Die amtliche Rechtschreibung der deutschen Schweiz ist das durch den "Duden" festgelegte Hochdeutsch.) Anderseits sollten die Mundartformen erhalten bleiben, da wo ihre Übertragung in die Schriftsprache unzweckmässig erscheint. Massgebend sind die heute gebräuchlichen oder vorherrschenden Namenformen. Ein Wiederherstellen erloschener Formen ist zu unterlassen.
  3. Feststehender Schreibgebrauch: ...
  4. Fehlender oder nicht starrer Schreibgebrauch: ...
  5. Orthografische und grammatikalische Regelung: ... Mundartliche Formen kennen bis heute keine allgemein gültigen Schreibregeln. Rein phonetische Schreibweise oder strenge Anpassung an alle lokalen Variationen kommt auch nach der Ansicht der einsichtigen Sprachleute für uns nicht in Frage. ...
  6. Weitere Regelungen: ....
  7. Ein lehrreiches Experiment: ...
  8. Schlusswort: ...


Beispiele

Eduard Imhof sprach sich wie auch andere Kartografen, namhafte Sprachwissenschaftler und viele Kantone gegen die extrem Mundart im Entwurf des Bundes von 1947 aus und empfahl z.B. unten aufgeführte Lokalnamen wie folgt zu schreiben: Quelle «Mein Standpunkt»:

  • Berg nicht Bärg
  • Kopf nicht Chopf
  • Kreuz nicht Chrüz oder Chritz
  • Lücke nicht Lugge
  • Schlucht nicht Schluecht
  • Moos nicht Mos
  • Rohr nicht Ror
  • Weiher nicht Weier
  • Stein nicht Stei, Stai, Stää oder Staa
  • Horn nicht Hore
  • klein nicht chli, chlei oder glei
  • hinter nicht hinder oder hinger
  • nieder nicht nider
  • ausser nicht usser

(die oben aufgeführten Vorschläge von Imhof konnten in Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 nur zum Teil berücksichtigt werden)


Mundartformen dagegen bestehen lassen z.B. in:

  • Egg
  • Spitz
  • Plangge
  • Hueb
  • Gmür
  • Bungert
  • Ifang
  • Luegeten
  • Sedel
  • Ebni
  • Breiti
  • Witi
  • Täli
  • Flüeli
  • Hüsli


Kartenbeschriftung

Im Fachhandel heute noch erhältlich ist das von Eduard Imhof verfasste und vom Verlag Walter de Gruyter 1972 publizierte «Lehrbuch der allgemeinen Geographie»


Das Lehrbuch enthält einen Überblick über die Beschriftung von Karten mit folgenden Kapiteln:

  • 32.1 Vielheit der Probleme
  • 32.2 Sprachen und Schriften der Menschheit
  • 32.3 Die geographischen Namen
  • 32.4 Mundart oder Schriftsprache
  • 32.5 Umschrift geografischer Namen
  • 32.6 Erläuternde Bezeichnungen und Schulbegriffe
  • 32.7 Zu den Regeln für die deutsche Rechtschreibung
  • 32.8. Hinweis auf Erläuterungen oft vorkommender Wörter und Namens-Beiwörter
  • 32.9 Quantität und Auswahl der Namen
  • 32.10 Graphische Probleme, Allgemeines
  • 32.11 Die Schriftformen
  • 32.12 Zuordnung der Schriftarten, Schriftgrössen und Schriftfarben
  • 32.13 Anordnung der Kartennamen
  • 32.14 Höhen- und Tiefenkoten
  • 32.15 Zeichnerische und Technische Herstellung der Kartenbeschriftung, Hilfsmittel und Methoden
  • 32.16 Die Beschriftung thematischer Karten


Im Folgenden sind ein paar kursiv hervorgehobene Zitate von Eduard Imhof aus diesem Lehrbuch erwähnt.


Vielheit der Probleme

  • Die Beschriftung ist wesentliches Inhaltselement der meisten Karten. Sie dient der Orientierung, Erläuterung und inhaltlichen Ergänzung.
  • Unbeschriftete, «stumme» Karten wirken zwar graphisch meist ausgezeichnet, sie lassen die übrigen Elemente klarer zur Geltung kommen, doch bilden sie ein eine Ausnahme. Gelegentlich dienen sie didaktischen Zwecken, sie verschweigen uns aber die Ortsnamen und andere Dinge.


Die im Lehrbuch verwendete Definition von «Ortsnamen» entspricht ungefähr der Definition von «Geografischen Namen» der Verordnung über geografische Namen. Eduard Imhof versteht unter «Ortsnamen» nicht nur die Namen von «Orten» im Sinne von Ortschaften, sondern alle «geografischen Namen», d. h. solche von Örtlichkeiten, Gebieten und Vorkommnissen aller Art, somit von Geländeteilen verschiedenster Dimensionen, von Gebirgen, Gewässern, Siedlungen, Strassen, Staaten und ihren Verwaltungseinheiten. Auch die «Flurnamen» zählen dazu.


Die geographischen Namen

  • Mit diesen befasst sich die «Ortsnamenkunde» oder Linguistik. Sie erforscht Herkunft und frühere Formen, sie sucht den ursprünglichen Sinn der Namen zu deuten. Sie setzt sich ein für möglichst korrekte Schreibweise (wobei die «Korrekte» oft gar nicht einfach und einmütig zu definieren ist). Sie dient weitgehend auch der historischen, insbesondere siedlungsgeschichtlichen, agrargeschichtlichen und volkskundlichen Forschung.
  • Schwierig ist oft die Entscheidung, ob mundartliche oder schriftsprachliche Schreibung der Ortsnamen vorzuziehen sei. Im folgenden Abschnitt sei dieses Problem kurz gestreift.


Mundart oder Schriftsprache

  • Die deutsche Bevölkerung spricht fast überall zwei verschiedene deutsche Sprachen, eine lokale Mundart und die angelernte, dem deutschen Sprachraum aus praktischen und z.T. kulturellen Gründen übergeordnete Schul- oder Schriftsprache, das «Hochdeutsch». Dasselbe gilt sinngemäss auch für viele Gebiete mit nichtdeutschen Sprachen.
  • Die geographische Namengebung kennt in den verschiedensten Mischungen, Durchdringungen und Ausgestaltungen beide Formen. Unzählige Namen lassen sich aber nicht ohne ungewohnte Veränderungen oder gar Sprachverpfuschungen in eine Schriftsprachform bringen (Chrüzegg - Kreuzegg - Kreuzecke, Chrüzlipass - Krüzlipass - Kreuzleinpass, Üetliberg - Ütliberg; Chindlimord - Kindlimord - Kindleinmord, Yschlawina - Eislawine, Zerkiiti Hittjine - Zerfallene Hütten).
  • Andere Namen wiederum sind im schriftlichen Verkehr auch in Karten längst in einer von der Mundart abweichenden Schriftsprachform im Gebrauch. Viele Namensformen sind überdies durch die amtliche Verfügungen oder Gesetze festgelegt.


Das Problem Mundart oder Schriftsprache der Kartennamen ist manchenorts heftig umstritten. Es wurde bisher in den verschiedenen Gebieten des deutschen Sprachraumes verschiedenen gelöst.

  • Die amtliche Schreibweise in Deutschland und Österreich sucht einer schriftsprachlichen Form möglichst nahe zu kommen. Man bewahrt in schriftsprachlicher Form vor allem die nicht verdunkelten Namen oder Namensteile, die Wörter, die auch der heutigen Schriftsprache angehören, oder man sucht sin in einen schriftsprachlichen Lautstand überzuführen. Beispiele: Schweizertor, Katzensee, Unterhausen, Ziegelbrücke, Scheienfluh usw. für Schwizertor, Chatzesee, Underhuse, Ziegelbrugg, Schiieflue. Solches geschieht aus schulischer Tradition oder aber da und dort auch im Interesse allgemeiner Verständlichkeit, Lesbarkeit und Stabilität. Damit aber werden manche, einst versündigte sprachliche Deformationen und Verfälschungen in den Karten weiter mitgeschleppt.
  • Die amtliche Kartographie der Schweiz geht seit 1946 einen anderen Weg. Man hält zwar auch hier an wichtigen, im schriftlichen Verkehr längst zur Gewohnheit erstarrten Formen fest, selbst wenn sie nicht mit der lokalen Mundart übereinstimmen. Dies gilt für Staats- und Kantonsnamen, Namen der Gemeinden, Bezirke, der Post- und Bahnstationen, wichtige Kurorte, grösserer Flüsse, Seen, Gletscher, Pässe, bekannter Berge und Landschaften. Beispiele sind: Zürich, Schaffhausen, Burgdorf, Bülach, Ziegelbrücke, Braunwald, Rhein, Reuss, Greifensee, Unteraargletscher, Finsteraarhorn, Klausenpass, (Walliser) Weisshorn. Die entsprechenden Mundartformen wären, Züri, Schaffuse, Burdlef, Büli, Ziegelbrugg, Bruuwald, Rii, Rüüss, Griifesee, Underaargletscher, Fiischteraarhorn, Chlausepass, Wiishorä oder Wiishorn. Andererseits aber sucht man für die sehr viel grössere Menge der Ortsnamen geringerer Bedeutung, für Flurnamen und Ähnliches, die ortsübliche Mundartform möglichst treu wiederzugeben. Damit kommt man näher an die autochthone sprachliche Wirklichkeit heran, man vermeidet Sprachentstellungen und bewahrt lokale sprachlich-kulturelle Eigenart und Eigenständigkeit. Da aber in den allgemeinen Karten besondere phonetische Laut- oder Schriftzeichen der linguistischen Fachwissenschaft nicht anwendbar sind, da alle Namen (im abendländischen Kulturkreis) mit den allgemeinen gebrauchten Buchstaben des lateinischen Alphabetes geschrieben werden müssen, ist es oft nicht leicht, die Mundartschreibform der Mundartsprechform genügend anzugleichen. Überdies variieren die Mundarten oft von Tal zu Tal, von Dorf zu Dorf, so dass sich für ihre schriftliche Wiedergabe gewisse Vereinheitlichungen aufdrängen. So wurden z.B. für die Schweiz im Jahre 1948 vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement «Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz» herausgegeben. Dem Geographen begegnen und helfen die Mundartformen vor allem, wenn er sich mit Flurkarten beschäftigt, wenn er alte Flurformen rekonstruieren oder deuten soll.


Siehe auch


Weblinks


Geografische Namen Lokalnamen Gebäudeadressen Inhaltsverzeichnis+Übersicht Aktuell