Oskar Bandle - Weisungen 1948

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Thurberg Siegfriedkarte 1945.jpg

Siegfriedkarte 1945


Thurberg Alte Landeskarte 1957.jpg

Alte Landeskarte 1957 (mit Schreibstandard Weisungen 1948 umgearbeitete obige Siegfriedkarte 1945)



Oskar Bandle, 1952, Thurgauer Zeitung: Die Schreibung unserer Flurnamen

Oskar Bandle, 11.1.1926 - 17.1.2009

  • Emeritierter Ordinarius für Nordische Philologie an den Universitäten Basel und Zürich, erhielt zweimal die Würde eines Ehrendoktors
  • Namenforscher, begründete 1951 das Thurgauer Namenbuch, Mitautor dieses Werkes


Oskar Bandle, Thurgauer Zeitung vom 12. Januar 1952 Die Schreibung unserer Flurnamen


Auszüge:


Bandles Kritik zur Schreibweise der Namen auf der alten Siegfriedkarte:

  • Wer mit einem sprachlich einigermassen kritischen Blick noch die neuesten Auflagen der Siegfriedkarte studiert, der wird, auch wenn er kein Sprachkundiger ist, verblüfft sein über die Sprachverwirrung und den Mangel an Sprachgefühl, der sich da in den Namen zeigt.
  • So unglaublich eine solche Sprachverwirrung scheinen mag, sie zeigt sich auf Schritt und Tritt auf unseren Karten.
  • Ein umfassendes, zum Teil heute noch gebrauchtes Katasterwerk wurde im Thurgau im Jahre 1850 angelegt. Die darin enthaltenen Namen haben ihre Form zum Teil damals neu erhalten, zum Teil wurden die Namenformen von früher, vor allem aus der Zeit der Helvetik, übernommen. Der Siegfriedatlas entstand in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Somit stammen die Namenformen dieser beiden Hauptwerke aus Zeiten, da man das Schweizerdeutsche noch nicht als schriftfähig betrachtete
  • Wo die Bedeutung klar und sich im Hochdeutschen eine Entsprechung fand, bereitete dies keine grösseren Schwierigkeiten, die andern Namen suchte man eben so gut es ging zurechtzustutzen.
  • Heute aber erscheint ein solcher Zustand als unhaltbar.
  • ...


Bandle zu Weisungen 1948:

  • Der entscheidende Schritt in dieser Sache - wenigstens für die Flurnamen - ist denn auch bereits vor drei Jahren gemacht worden, indem das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement am 27. November 1948 „Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz“ herausgab.
  • Die hier aufgestellten „Grundsätze und Regeln“ haben eine recht lange Vorgeschichte, die zeitweise nicht nur zwischen Vertretern des Vermessungswesens und Sprachwissenschaftern, sondern auch unter diesen selbst nicht wenig Staub aufgeworfen hat.
  • Es setzte dann aber noch einen langen Kampf ab, bis die für alle Kantone verbindlichen und auch für die neue Landeskarte massgebenden Grundsätze von 1948 herausgegeben werden konnten.
  • ...


Bandle: Es gibt, grob gesagt, drei Möglichkeiten, das Problem der Namenschreibung zu betrachten:

  • Einmal kann man es rein vom Standpunkt der Nützlichkeit aus betrachten, dann wird man sich zufrieden geben, wenn aus der Namenform die Aussprache einigermassen eindeutig hervorgeht. Die Verfechter dieses Standpunktes werden es also zum Beispiel als gleichgültig erachten, ob „Wies“ oder „Wis“ geschrieben wird, da ja kaum jemandem einfallen würde, das Wort mit Zwielaut auszusprechen. Dass eine solche Auffassung die Nomenklatur nicht aus ihrer bisherigen Verwirrung herausbringt, ist klar.
  • Nun ist man aber teilweise auch ins andere Extrem verfallen, indem man von der Kartennomenklatur „die scharfe Ausprägung des Regionalen“, das heisst genaue Schreibung nach der ortsüblichen Aussprache forderte und damit die geographischen Karten zu Mundartkarten machen wollte. Eine solche Forderung sieht nicht nur an der Tatsache vorbei, dass die geographischen Karten nicht in erster Linie dem Sprachstudium dienen, sondern vor allem praktische Zwecke zu erfüllen haben, sondern sie würde auch das Chaos keineswegs beseitigen.
  • Demnach ist es klar, dass nur die dritte Möglichkeit, nämlich ein gut schweizerischer Kompromiss zwischen Mundart und Schriftsprache, zu einer alle Teile des Volkes, alle Arten von Kartenbenützern befriedigenden Lösung führen kann. Es muss eine Sprachform gefunden werden, die ein klares, einfaches, einheitliches Namenbild ergibt, die einerseits auch für nicht sprachlich Interessierte geniessbar, anderseits aber doch auch Ausdruck der sprachlichen Wirklichkeit ist und unsere Namen als nationales Kulturgut in die richtige Beleuchtung stellt. Ein solcher vernünftiger Kompromiss wird von den eidgenössischen Grundsätzen und Regeln angestrebt und, abgesehen von einigen Einzelheiten, sicher auch in durchaus befriedigender Weise erreicht.


Äusserungen Bandles zu den Weisungen 1948:

  • So sollen also zum Beispiel die für das ganze Schweizerdeutsche charakteristischen Vokale i, u, ü künftig nicht mehr in die entsprechenden schriftdeutschen ei, au, eu umgemodelt, also stets Ifang, Hus, Muren, Rüti und so weiter geschrieben werden.
  • Die ebenso charakteristischen Zwielaute ue und üe, die bisher offenbar nicht als „salonfähig“ betrachtet wurden, sollen nun ebenfalls zu ihrem Recht gelangen, indem Buech, Hueb, Büel und so weiter die vielen Buch, Hub, Bühl ersetzen sollen.
  • Aus dem Kapf soll also ein Chapf, aus der Kripf eine Chripf, aus dem missgestalteten Kalch ganz natürlich Chalch werden.
  • Da das Schriftbild schlicht, einfach und natürlich sein soll, müssen auch unnötige Buchstaben, die es nur kompliziert und unleserlich machen - wie die beliebten dt (Bündten, Wadtwies) und th (in Thor, Thal) - verschwinden.
  • Aus der Realität der mundartlichen Aussprache heraus sollen die Schreibformen geschaffen werden, sie sollen frei sein von allem Schreibstubenballast. Das will freilich nicht heissen, dass die Schreibweise rein mundartlich sein soll; denn wie gesagt, die neuen Regeln wollen einen Kompromiss zwischen Mundart und Schriftsprache darstellen. Deshalb sollen die Namen überall dort, wo es ohne Verunstaltung geht, der Schriftsprache und damit auch den traditionellen Schreibweisen angepasst werden. Wörter, die im Schweizerdeutschen durch eine Kleinigkeit, zum Beispiel eine Vokalnüance, vom Schriftdeutschen abweichen, dürfen ruhig schriftdeutsch wiedergegeben werden. Niemand wird sich einfallen lassen, ein mit offenem e gesprochenes Berg Bärg zu schreiben, das würde ja nur neue Verwirrung stiften.
  • Ein Adjektiv, das einen Namen näher bestimmt, darf ohne weiteres in hochdeutscher Form erscheinen, wenn der betreffende Name nicht rein mundartlich ist. Die Frauenfelder Sportfreunde brauchen also nicht zu befürchten, dass ihre Kleine Allmend nun plötzlich zu einer Chlinen Allmend werden wird.
. . Datei:Chliini Allmänd.jpg
Übersichtsplan 2010
  • Kleine Allmend Frauenfeld: über 5'000 Eintragungen im Internet
  • Chliini Allmend Frauenfeld: kein einziger Treffer

In einem Mundart-SMS würde kaum jemand "Chlinen Allmend" oder "Chliini Allmänd" schreiben sondern: chlini allmend...denn über d'brugg zum d'stross überquere, laufsch i 5 min. gad as stadion ane...)

  • All dies dürfte zur Genüge beweisen, dass die eidgenössischen Grundsätze und Regeln eine vernünftige Lösung dieses tatsächlich sehr schwierigen Problems der Namenschreibung darstellen. Es ist klar, dass wir nicht einfach so wie bisher weiterkutschieren können.
  • Zugegeben, die neuen Grundsätze und Regeln stellen gewisse Anforderungen an Umstellung und Gewöhnung. Aber erstens betreffen sie ja nur die Flurnamen, nicht aber die viel gebräuchlicheren Ortsnamen, und zweitens ist die Gewöhnung sicher nur eine Sache der Zeit.
  • Sie berücksichtigen nicht nur die Wünsche einiger Gelehrter oder gar Mundartfanatiker, sondern sie dienen auch den praktischen Zwecken weit besser als die alten Schreibweisen, da sie diesen gegenüber eine Klärung, Vereinfachung und Vereinheitlichung bedeuten. Oder ist es etwa praktischer, ein Nebeneinander von einem halben Dutzend Formen (nämlich Reute, Reuti, Rüte, Rütte, Rüthi, Reuthe) statt des einzigen einfachen und unserer Sprache gemässen Rüti zu haben?
  • ...

Vergleich Schreibweisen 1945 - 1957 - 2010 - 2016

Quelle: Historische Karten als Onlinekarten im ThurGIS

Thurberg Siegfriedkarte 1945.jpg

Siegfriedkarte 1945


Thurberg Alte Landeskarte 1957.jpg

Alte Landeskarte 1957


Thurgauer Wanderkarte Thurberg.jpg

Thurgauer Wanderkarte mit Landeskarte 2010 und geplante Schreibweisen (grün) in der Landeskarte 2016

Siegfriedkarte 1945 Alte Landeskarte 1957 ...1992 Landeskarte 1998, 2004, 2010 geplante Landeskarte 2016
Dattenhub Dattenhueb Tattehueb Dattenhueb
Mohnshaus Mohnshus Moonshus Mohnshaus
Thurberg Thurberg Tuurbärg Thurberg
Ottenberg Ottenberg Ottebärg Ottenberg
Wachtersberg Wachtersberg Wachtersbärg Wachtersberg
Stelzenhof Stelzenhof Stelzehof Stelzenhof


Änderungen der Schreibweise zwischen Siegfriedkarte 1945 und Alten Landeskarte 1957
keine Änderungen der Schreibweise zwischen Siegfriedkarte 1945 und Alten Landeskarte 1957


Siehe auch


Weblinks


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