Stummes -n in geografischen Namen

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Stummes -n.jpg

Beispiele von Lokalnamen mit stummen -n


Schreibtradition bei geografischen Namen

Ca. 40% der (über 0.5 Mio.) geografischen Namen in der deutschsprachigen Schweiz enthalten gemäss bisheriger Schreibtradition ein sogenanntes stummes Endungs -n (vgl. linke Spalte in untenstehender Tabelle mit Beispielen). Dieses -n wird in Mundart meist nicht ausgesprochen, d.h. bleibt stumm. Die Mundartaussprache eines geschriebenen «en», dem so genannten Laut Schwa, liegt zwischen einem «e» und einem «ä». Um reine Mundart zu schreiben, wäre ein spezielles, phonetischen Zeichen [ə] dazu notwendig. Die Frage stellt sich, ob generell in mundartlich geschriebenen geografischen Namen dieses -n ebenfalls geschrieben werden soll oder nicht, da man ja es eben nicht ausspricht.

Notationsmöglichkeiten für den Laut Schwa:

  • e Diese Notation wird in reinen Mundarttexten generell den anderen Möglichkeiten üblicherweise vorgezogen
  • en Diese Notation ist generell bei geografischen Namen in traditioneller Schreibweise üblich. Gemäss Schreibregeln Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 soll es in der Regel auch bei mundartnah notierten geografischen Namen geschrieben werden.
  • ä Diese Notation hat sich sowohl bei reinen Mundarttexten als auch bei mundartlich ausgerichteten geografischen Namen nicht durchgesetzt.


Das stumme -n wird in Anlehnung an Guntram Saladin auch saladinsches -n genannt. Saladin war Verfasser der Schreibregeln Weisungen 1948 (und indirekt auch der identischen Schreibregeln Weisungen 2011). Er war Redaktor am Schweizerdeutschen Wörterbuch Idiotikon, in welchem der Laut Schwa als hochgestelltes -n geschrieben wird. Kurz nach Einführung der Weisungen 1948 wurde ab 1950 im Kanton Bern das -n nur dann in mundartlich notierten Lokalnamen geschrieben, wenn es ausgesprochen wird. Einige Kantone der deutschsprachigen Kantone hat diese Praxis ganz oder teilweise (Mischformen) übernommen (vgl. Tabelle Praxis in einzelnen Kantonen). Bei Strassen-, Siedlungs- und Stationsnamen wird das in der Mundart stumme -n meist geschrieben. Da Strassennamen im ländlichen Raum vielfach den reinen Flurnamen tragen, treten bei gleichzeitiger Kartierung von Strassen- und Flurnamen auf Karten und Plänen unterschiedliche Schreibweisen auf.


Diese Seite beschreibt untenstehend die Vor- und Nachteile, wenn das -n in mundartnahen geografischen Namen geschrieben wird. Wegen dem vertrauten Schriftbild überwiegen aus Sicht der Benutzer klar die Vorteile, wenn das -n geschrieben wird. 1948 hatten namhafte Sprachwissenschafter, Namenforscher und Historiker aus gesamtheitlichen Überlegungen und nachvollziehbaren Gründen festgelegt, auch bei Lokalnamen mit geringer, lokalen Bedeutung das «en» gemäss herkömmlicher Schreibweise in der Regel zu belassen.

Beispiele von geografischen Namen mit einem stummen Endungs -n

  • Lokalnamen (vgl. Abbildung oben)
Schreibweise mit -n (Schreibweise ohne -n)
Bärenseen Bäreseen
Jaukenrüti Jaukerüti
Blackenboden Blackebode
Wolkensteinerberg Wolkesteinerberg
Beckenhüsli Beckehüsli
Stocken Stocke
Alpzinken Alpzinke
Birkenhof Birkehof
Auhafen Auhafe
Falkenstein Falkestei
Ankenbälli Ankebälli
  • Gemeindenamen (ca. 42% weisen ein stummes -n auf)
  • Ortschaftsnamen (ca. 39% weisen ein stummes -n auf)
  • Strassennamen (ca. 45% weisen ein stummes -n auf)
    • Allenwindenstrasse
    • Eichengasse
    • Höhenweg
    • Stockenstrasse
    • Tannenweg
    • ...
  • Stationsnamen
    • Achsetten, Schmitten
    • Bern, Bärengraben
    • Erstfeld, Birtschen
    • Fallboden
    • Wädenswil, Chalchtaren
    • ...


Vor- und Nachteile der Schreibung des -n

Vorteile

  • Einfache Schreib- und Lesbarkeit, generelle Reglung, Vermeidung von Unsicherheiten, es muss nicht überlegt werden, ob das -n geschrieben werden muss oder nicht
  • Viele geografische Namen werden einheitlich in der schriftsprachlichen wie auch in der mundartlichen Form identisch geschrieben (einfache Schreib- und Lesbarkeit)
  • Mundartliche Namen können auch für Strassen- und Stationsnamen und weiteren abgeleiteten Namen verwendet werden, wo generell ein «en» erwartet wird.
  • Durch die generelle Beibehaltung des -n in mundartlich geschriebenen Namen wird das von der Standardsprache gewohnte und vertraute Schriftbild gewahrt (mundartnahe Schreibweise)
  • Die mundartlichen und in die herkömmlich geschriebene Namen passen mit der Schreibung des -n viel besser zusammen, als wenn man das -n nicht schreiben würde (Harmonie im gesamten Karten- und Planbild)


Nachteile

  • Die Schreibweise mit einem -n kann einem mundartlich geschriebenen Namen den Anschein einer schriftsprachlichen Schreibweise verleihen (z.B. Pfannenstil) und dann mundartliche Schreibelemente als Widerspruch erscheinen lassen (z.B. das -i- von Pfannenstil)
  • Erwartet man reine lautgetreue Mundartschreibweise (was ohne phonetische Zeichen ohnehin nicht möglich ist), kann das geschriebene -n bei einer isolierten Betrachtung eines einzelnen Namens in einzelnen Fällen unsympathisch erscheinen z.B. Sunnental oder Sunnenbüel. Auffällig sind dabei Namen, wo wie bei Sunnenbüel zwei mundartliche Namensteilen aufeinander treffen und dann vier verschiedene Schreibvarianten existieren: Sonnenbühl, Sonnenbüel, Sunnenbüel und Sunnebüel. Am besten begnet man diesen Fällen, indem die schriftsprachkiche Version verwendet wird. Sonderfälle wird es immer geben, da Mundart schwierig zu schreiben ist. Wie auch in der Mundartliteratur unterschiedliche Schreibweisen existieren, wird man auch in der Schweiz je nach Nomenklaturkommission bei Spezialfällen verschiedene Schreibweisen von mundartlichen Lokalnamen antreffen.

Schlussfolgerungen

Das stumme -n soll dort, wo es heute geschrieben wird, belassen werden, da geografische Namen grundsätzlich nicht geändert werden sollen. Änderungen der Schreibweise können jedoch im Rahmen von Harmonisierungen gemäss Art. 4 Weisungen 2011 sinnvoll sein: Die Schreibweise der Lokalnamen und die Schreibweise anderer geografischen Namen sollen nach Möglichkeit harmonisiert werden. Geht man von einer mundartnahen anstelle einer mundartgetreuen Schreibweise aus, überwiegen aus Sicht der Benutzer die Vorteile der Schreibweise des -n die Nachteile. Da die Schreibweise von geografischen Namen nicht geändert werden soll, sollen grundsätzlich eliminierte -n so belassen werden wie sie sind und die Inhomogenität in der Schweiz muss in Kauf genommen werden.


Die Problematik der Schreibung des -n in mundartlichen Namen kann als Detailproblem aufgefasst werden, hat aber in der Informatik auch bezüglich Umfang und Auswirkungen verheerende Folgen. Vor allem negativ ausgewirkt haben sich die bisherigen Entwürfe der toponymischen Richtlinien und des Leitfadens Toponymie, wo grundsätzlich propagiert wurde, in Lokalnamen das -n nicht mehr zu schreiben, wenn es nicht gesprochen wird. Z.T. wurde das -n in bisherigen Lokalnamen durch kantonale Nomenklaturkommissionen getilgt. Den Gemeinden wird es dann überlassen, ob sie in das -n in den entsprechenden Strassennamen eliminieren wollen oder nicht. Die Gemeinden stehen dann vor dem Dilemma, dass -n auch in Strassennamen zu eliminieren, was mit viel Aufwand verbunden ist und eine qualitative Verschlechterung der Schreibweise bedeutet oder auf eine Übereinstimmung der Schreibweise der Lokalnamen und entsprechenden Strassennamen zu verzichten.

Praxis in einzelnen Kantonen

Wappen KT mit -n Mischform -n nur wo -n gesprochen Bemerkungen
Wappen Aargau.png AG . 1 . .
Wappen Appenzell Innerrhoden.png AI 1 . . .
Wappen Appenzell Ausserrhoden.png AR 1 . . .
Wappen BaselLand.png BL 1 . . .
Wappen BaselStadt.png BS 1 . . .
Wappen Bern.png BE . . 1 seit 1950, zur Unterscheidung von Gebieten, wo -n konsequent gesprochen wird
Wappen Freiburg.png FR . . 1 .
Wappen Glarus.png GL . 1 . .
Datei:Wappen Graubünden.png GR 1 . . .
Wappen Luzern.png LU . . 1 .
Wappen Nidwalden.png NW 1 . . .
Wappen Obwalden.png OW 1 . . .
Wappen Schaffhausen.png SH . . 1 Bärg/Berg
Wappen Solothurn.png SO 1 . . .
Wappen Schwyz.png SZ 1 . . .
Wappen St.Gallen.png SG . 1 . -n wird zu 90% geschrieben, resp. zu 10% nicht geschrieben
Wappen Thurgau.png TG . . 1 Bärg/Berg
Wappen Uri.png UR 1 . . .
Wappen Wallis.png VS . . 1 .
Wappen Zug.png ZG 1 . . .
Datei:Wappen Zürich.png ZH 1 . . .
Total . 12 3 6 .

In 3 Kantonen wird diskutiert, -n nicht mehr zu schreiben, gemäss GeoNV sollen die Schreibweisen jedoch nicht geändert werden.



Zitate

  • Trudi Christen, begeisterte Leserin von Mundartliteratur,aus Artikel «Äuä» im Sprachkreis DeutschUnser Wunsch wäre Dialekt geschrieben in Anlehnung an das Schriftbild der hochdeutschen Schriftsprache. Ein leserfreundlicher Druck! Den Lesern und dem Dialekt zuliebe!


  • Martin Reck hält in Sprachstrukturelle Unterschiede zwischen dem Stadt-Berndeutsch und der Deutschen Standardsprache im Kap. 2 «Zur Schreibung der berndeutschen Laute im Vergleich zu den schriftdeutschen» (Seite 8) fest: Die SchreiberInnen von Mundarttexten halten sich nicht an Normen und schreiben zunächst, wie sie es gerade für richtig halten. So hat denn jede/jeder MundartschriftstellerIn nicht nur ihre/seine eigene Sprache, sondern auch ihre/seine eigene Orthographie; denn es macht sich fast niemand die Mühe eines der für die einzelnen Idiome mehr oder weniger einheitlichen Bücher zu diesem Thema zu lesen, bevor sie oder er zu schreiben beginnt. ....Dennoch darf allgemein festgestellt werden, dass sich die meisten Mundart schreibenden Personen an der deutschen Schriftsprache orientieren, um so auch den höchstmöglichen Verständlichkeitsgrad zu erreichen, wodurch allerdings öfters auch ganz eigenartige, ungewollt lustig wirkende Stilblüten hervorgebracht werden. So ist und bleibt die gute Lesbarkeit die Maxime aller Dialekt Schreibenden, die nicht nur sich selbst und allenfalls einige wenige Eingeweihte erreichen wollen.


  • Eduard Imhof Zitat aus "Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage":Sprachliche Einheitlichkeit wird durch meine Vorschläge nicht erreicht. Dieses Mangels bin ich mir bewusst. Jede Vermischung von Mundarten und Schriftsprache muss den sprachlich geschulten Kartenbenützer unsympathisch sein. Es wäre jedoch ein tragischer Irrtum, zu glauben, sprachliche Einheitlichkeit sei in der Plan- und Kartenbeschriftung der deutschen Schweiz überhaupt erreichbar. Eine kompromissfreie Lösung wäre nur in einer mundartlichen Spezialkarte mit phonetischen Lautzeichen möglich. Hoffen wir, dass auch eine solche nicht allzu lange auf sich warten lässt.


  • Leitfaden zur deutschen Rechtschreibung Schweizerische Bundeskanzlei,Kap. 1 Laute und Buchstaben (Seite 20)
    • Schüfe man ein Schriftsystem, das das Lautsystem hundertprozentig abbildet, so bedeutete das einen radikalen Bruch mit der Schreibtradition, mit gewohnten Schriftbildern. Keine Sprachgemeinschaft ertrüge das, denn von heute auf morgen könnte der grösste Teil der Bevölkerung kaum mehr lesen und richtig schreiben überhaupt nicht mehr.
    • Und es käme etwas anderes hinzu: Ein und dasselbe Wort, ein und derselbe Wortbestandteil würde je nach sprachlicher Umgebung anders geschrieben, weil es beziehungsweise er nämlich anders gesprochen wird; das ist uns gar nicht bewusst. Man müsste den Wortstamm lieb, wie es im Mittelalter der Fall war, am Anfang einer Silbe oder eines Wortes mit b (also lie-ben) und am Ende einer Silbe oder eines Wortes mit p schreiben (also liep). Das würde das Lesen, das heisst das lesende Wiedererkennen von Wörtern, massiv erschweren.
    • Um dies zu verhindern, gilt das Stammprinzip. Danach schreibt man den Stamm in Wörtern einer Wortfamilie immer gleich, unabhängig davon, wie er gesprochen wird. Also nummerieren wegen Nummer, substanziell wegen Substanz.


Siehe auch


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