Thurgauer Mundart
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Holzmannshaus Siegfriedkarte 1927 | Holpmishus Landeskarte 1:25'000 2012 (nächste Ausgabe Holzmannshaus) |
Thurgauer Mundart in Geschichte und Gegenwart
Aus der Schwerpunktreihe Sprachen und Kulturen, Verlag SAGW, Heft V, Bern 2012.
von Martin Hannes Graf
Thurgauer Mundart - Schreibweise von Ort- und Flurnamen
Eine aktuelle Debatte zum Status der Mundart (im Kontext der allgemeinen Einstellung zum Dialekt)
Zitat aus Thurgauer Mundart in Geschichte und Gegenwart von Martin Hannes Graf (Seite 62)
Mit einer Verordnung des Regierungsrats vom November 1995 über die amtliche Vermessung einher ging auch eine Regelung der Schreibweise der Orts- und Flurnamen. Die dafür eingesetzte Nomenklaturkommission hatte die Aufgabe, über eine einheitliche und mit entsprechenden Weisungen und Regelwerken konforme Schreibung zu befinden und diese für (offizielle) kartographische Belange sowie das Grundbuch verbindlich zu machen. Mit einer besonders freien Auslegung der diesbezüglichen Weisungen aus dem Jahr 1948, die für Namen von geringer lokaler Bedeutung eine Schreibung nach der «ortsüblichen Aussprache» verordnete, machte man sich im Thurgau jedoch wenig Freunde. Während auf alten Karten und in alten Grundbüchern sowie besonders auf Ortsschildern, Wegweisern usw. meist relativ schriftsprachnahe Namenformen zu finden waren (Pfannenstiel, Holzmannshaus, Hiltenberg; siehe Karte 13) stellte die neue Nomenklatur nun auf Schreibungen nach der ortsüblichen Aussprache um (Pfanestiil, Holpmishus, Hiltebärg; siehe Karte 14), wie sie nun auch auf der klassischen Landeskarte im Massstab 1:25 000 zu finden sind. Die immer im Konsens mit Gemeindevertretern vereinbarten Schreibungen blieben während einiger Zeit von der Bevölkerung weitgehend unbeachtet, bis im Hochsommer 2009 ein jahreszeitlich bedingter Sturm der Entrüstung durch den Kanton fegte und das Nomenklaturwerk als «Schildbürgerstreich» (um noch einen harmlosen Begriff zu zitieren) disqualifizierte. Auf einmal befand sich der ganze Kanton in die Diskussion verwickelt, wie weit die Pflege alter Mundart gehen dürfe. Während es unbestritten blieb, dass «altes Kulturgut» – heute würde man sagen: «immaterielles Kulturerbe» – als bewahrenswert gilt, war man sich ebenso darüber einig, dass die «extremmundartliche Schreibweise» zu weit gehe und man nicht an der althergebrachten Gepflogenheit der schriftsprachnahen Schreibweise rütteln dürfe.
Mundartnahe versus mundartgetreue Schreibung von Ort- und Flurnamen (Lokalnamen)
Diverse Gemeinden im Kanton Thurgau hatten sich bereits 2004 gegen die neue Schreibweise beschwert, fanden jedoch kein Gehör. Vgl. Artikel in der Thurgauer Zeitung vom 24.07.2004 01.09.2004 und 02.09.2004.. Folgende Faktoren dürften unter anderem zum Streit der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau beigetragen haben:
- Kernaussage Art. 7 Weisungen 1948: Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache «nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln.»
- Aus den historischen Quellen des Streites 1948 um die Schreibweise der Orts- und Lokalnamen (vgl. Eduard Imhof) geht hervor, dass die im Anhang zu den Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln, die ein mundartnahe Schreibweise vorschreiben, eine wesentliche Voraussetzung waren, um Namen von geringer, lokaler Bedeutung überhaupt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache zu schreiben. 1948 wurde als Kompromiss eine mundartnahe und nicht eine mundartgetreue Schreibung von Lokalnamen beschlossen (vgl. auch Artikel in Thurgauer Zeitung vom 7.6.2014 Rosen für Roopel).
- Die Benutzer von Lokalnamen als Geoinformation konnten bewirken, dass die Regeln für die Schreibweise von Lokalnamen Weisungen 1948 nicht in Regeln für mundartgetreue Schreibung verändert wurden, sondern als Weisungen 2011 erhalten geblieben sind.
- Siedlungsnamen haben eine grössere als nur lokale Bedeutung und sollten grundsätzlich in der herkömmlichen Schreibung belassen werden.
- Es ist bei Namen von Örtlichkeiten zum einen das Beharrungsvermögen der Namen zu beachten, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt. Ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will. Zum andern besteht eine starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat. Er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben (Zitat von Ruedi Schwarzenbach, Zeitschrift SchweizerDeutsch, Ausgabe 2/2009 Seite 11).
Siehe auch
Weblinks
- Wenn aus Rotbühl Roopel wird resp. aus Roopel wieder Rotbühl
- Lokalnamen (Flurnamen) auf Landeskarten: Die heutige Schreibweise soll unverändert bleiben
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