Geschichte Schreibweise der Thurgauer Lokalnamen

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Datei:Erdhausen Ärdhuuse 2.jpg

Nebenstehender Ausschnitt stammte aus map.search.ch. Damit die Namen zwischenzeitlich (1996 bis 2013) mit beiden Schreibweisen gefunden werden konnten, wurde sowohl Erdhausen (entspricht der ursprünglichen und der heutigen Schreibweise) wie Ärdhuuse (vermeintlich verbesserte Schreibweise) kartiert.

Zum besseren Verständnis der Ereignisse betreffend Orts- und Flurnamen (Lokalnamen) im Kanton Thurgau in den Jahren 2009 - 2012, wird im folgenden Kapitel versucht, die Geschichte der Schreibung der Thurgauer Lokalnamen seit 1855 etwas näher zu beleuchten. Anlass dazu gab der Artikel vom 3.04.2011 «Deutsch und deutlich» im Beobachter. Das Kapitel wurde dann mit dem Artikel in der Thurgauer Zeitung vom 7.08.2023 «Der Bund gibt die Standardsprache für geografische Namen vor, doch in den Flurnamen dominiert die Mundart» ergänzt.


Schematischer Überblick Schreibweise Lokalnamen im Kanton Thurgau

Jahr ca. 1855-1955 1956-1995 1996-2013 2014-
Karten Dufour-/Siegfriedkarte Landeskarte Landeskarte Landeskarte
Mundartwellen 1. Mundartwelle (CH) 2. Mundartwelle (TG)
Schreibregeln Lokalnamen (CH) keine Weisungen 1948 Weisungen 2011
Flurnamen Abc gelb.jpg Abc orange.jpg Abc rot.jpg Abc rot.jpg
Siedlungsnamen: Weiler- und Hofnamen Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc orange.jpgAbc Tafel.jpg Abc rot.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg
Siedlungsnamen: Städte und Dörfer Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg
Abc Weiss.jpgAbc gelb.jpgAbc orange.jpgAbc rot.jpg Schreibweise auf Landeskarten.... Abc Tafel.jpg Schreibweise auf Ortstafeln und Strassenwegweiser........
Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Traditionelle, schriftsprachlich ausgerichtete Schreibweise
Abc gelb.jpg Vor 1948: Mundartliche Schreibweise mit Anlehnung an das Schriftbild der Schriftsprache, ohne Schreibregeln
Abc orange.jpg Nach 1948: Mundartliche Schreibweise mit Anlehnung an das Schriftbild der Schriftsprache, mit Schreibregeln 1948
Abc rot.jpg Extremmundartliche Schreibweise, von Schreibregeln 1948 abweichend

Medienartikel Thurgauer Zeitung vom 7.08.2023 «Der Bund gibt die Standardsprache für geografische Namen vor, doch in den Flurnamen dominiert die Mundart»

Artikel

Allgemeines

Link zum Artikel: «Der Bund gibt die Standardsprache für geografische Namen vor, doch in den Flurnamen dominiert die Mundart»

Der Artikel berichtet über die Änderungen der Schreibweise von Orts- und Flurnamen (im folgenden auch Lokalnamen genannt) im Kanton Thurgau. Die Änderungen gehen wie berichtet auf zwei Mundartwellen zurück. Zitate:

  • Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war die Schreibweise der Orts- und Flurnamen auf den Landeskarten auf die Schriftsprache ausgerichtet. Nach 1948 begann die Hinwendung zum mundartlichen Ausdruck. Darin wirkte die Geistige Landesverteidigung nach, welche die als schweizerisch empfundene Eigenart gegenüber grossdeutschen Übergriffen schützen wollte.
  • 2009 stoppte der Regierungsrat die Mundartwelle bei den Orts- und Flurnamen. Inzwischen sind die Bezeichnungen teilweise rückgängig gemacht worden, vor allem jene von Siedlungen und bekannteren Orten. Bei den Flurnamen überwiegen weiterhin die Dialektformen wie Hooraa oder Underi Murgepni

Der Artikel weist auf die Zeitreise Kartenwerke von swisstopo hin, wo die veränderten Schreibweisen der Lokalnamen im Kanton Thurgau im Laufe der Zeit ersichtlich werden und nennt dabei diverse Beispiele. Diese finden sich in der untenstehenden Tabelle mit Link auf die Zeitreise. In der Spalte rechts wird zum Vergleich auch die Strassenbezeichnung aufgelistet, welche für die Harmonisierung mit der Schreibweise von Lokalnamen heute eine wichtige Rolle spielt.

Liste der im Artikel erwähnten Beispiele von Siedlungs- und Flurnamen

Namensart Gemeinde ca. 1855-1955 ca. 1956-1995
(1. Mundartwelle)
ca. 1996-2013
(2. Mundartwelle)
ca. 2014- Strassenbezeichnung
Dufour-/Siegfriedkarte Landeskarte Landeskarte Landeskarte
Siedlungsname Fischingen Rotbühl Rotbüel Roopel Rotbühl Rotbühl
Siedlungsname Weinfelden Thurberg Thurberg Tuurbärg Thurberg Thurbergstrasse
Siedlungsname Frauenfeld Hungersbühl Hungerschbüel Hungerschbüel Hungersbühl Hungersbühl
Siedlungsname Weinfelden Bewangen Bewangen Beewange Bewangen Bewangen
Siedlungsname Egnach Ringenzeichen Ringenzeichen Ringezaache Ringenzeichen Ringenzeichen
Siedlungsname Hüttwilen Kalchrain Chalcheren Kalchrain Kalchrain Kalchrain
Siedlungsname Steckborn Feldbach Feldbach Fäldbach Feldbach Im Feldbach
Siedlungsname Wäldi Hohenrain Hohrain Hooraa Hohenrain Hohenrain
Flurname Pfyn Hohenrain Hohrain Hooraa Hooraa
Flurname Frauenfeld Underi Murgepni Underi Murgepni Untere Murgebene


Kommentar

Der Artikel könnte den Anschein erwecken, dass der Bund erst seit 2008 Standardsprache für geografische Namen vorgibt und dass dabei heute eine Diskrepanz besteht, dass in den Flurnamen die Mundart dominiert. Im folgenden Kommentar wird versucht, etwas zu differenzieren und die Aussagen anders zu beleuchten.

Die NZZ am Sonntag hatte am 17.06.2007 im Artikel «Bund stoppt Dialektwelle auf der Landeskarte» am 17. Juni 20007 folgendes berichtet: das Bundesamt für Landestopografie vgl. hier spricht sich gegen stark mundartliche Flurnamen in Landeskarten aus. Das Amt hat die Kantone schriftlich aufgefordert, bei Flurnamen bis auf weiteres «keine Änderungen» mehr vorzunehmen. Stattdessen sollen sie sich an den Weisungen aus dem Jahre 1948 halten: Gemäss diesen sollen sich Flurnamen an die Schriftsprache anlehnen. Eine Fortsetzung dieser Strategie erfolgte dann einerseits 2008 mit der Inkraftsetzung der Verordnung über geografische Namen (GeoNV), wie auch 2011 mit der Weiterführungen 1948 in den Weisungen 2011, nach welchen nach wie vor Flurnamen seit 1948 grundsätzlich zwar mundartlich, jedoch in Anlehnung an das Schriftbild der Standardsprache geschrieben werden (entspricht der im Artikel erwähnten 1. Mundartwelle).


Vorgabe der Standardsprache für geografische Namen bereits seit 1948

  • Der Bund erliess bereits 1948 Schreibregeln für Orts- und Flurnamen, bei denen Flurnamen von nur lokaler, geringer Bedeutung grundsätzlich mundartlich geschrieben werden, allerdings wie von Kartenbenützerinnen und -benützern gefordert in einer dem gewohnten, standarddeutsch basierten Schriftbild entgegenkommenden Schreibung (gemässigte Schreibweise).


  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.


Mit oben genannten Grundsätzen sollte verhindert werden, dass die negativen Auswirkungen der Änderungen von Lokalnamen aus einer gemässigten in eine extrem wirkende Mundartschreibweise analog Kanton Thurgau durch Etablierung neuer Schreibregeln sich auch auf andere Kantone ausdehnen (Verhinderung einer 2. Mundartwelle in anderen Kantonen, was jedoch im Kanton Schaffhausen nicht mehr gelang). Diese Änderungen im Kanton Thurgau sind wie auch im Artikel der Thurgauer Zeitung erwähnt, nicht auf allgemeine Akzeptanz gestossen. Die Grundsätze gelten für alle geografischen Namen: neben den Lokalnamen auch für Namen von Gemeinden, postalischen Ortschaften, Strassen und Haltestellen des öffentlichen Verkehrs. Sie gelten bereits vor 1948 resp. für Lokalnamen seit 1948.

Präzisierung 2. Grundsatz (Anlehnung an die Standardsprache) in den Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen»: Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen (Siedlungsnamen) und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.

Anmerkung: Da die einzelnen Laute weder in Standardsprachen und erst recht nicht in Mundartsprachen genau einem Schriftzeichen entsprechen, spielt das vertraute Schriftbild von geschriebenen Wörtern resp. Namen für das einfache Lesen und Schreiben eine wichtige Rolle. Beim vertrauten Schriftbild tauchten bereits bei der 1. Mundartwelle vereinzelt Probleme auf, als z.B. 1955 in Degenau im Kanton Thurgau eine Papiermühle in Papirmüli geändert wurde vgl. hier. Da dem vertrauten, standardsprachlichen Schriftbild von Papier mit einem Dehnungs-e (welches in Mundart grundsätzlich nicht geschrieben wird) zu wenig Beachtung geschenkt wurde, musste 1966 Papiermüli in Papirmüli mit einem -e nach dem i geändert werden. Während Degenau in der 2. Mundartwelle in Tägenau verändert wurde, blieb Papiermüli erhalten, wurde dann jedoch ab 2014 wieder als Papiermühle (Siedlungsname) geschrieben.


Auch Ruedi Schwarzenbach, Redaktor der Zeitschrift SchweizerDeutsch, äusserte sich in der Ausgabe 2/09 zum Namenstreit im Kanton Thurgau. Er betont zum einen das Beharrungsvermögen der Namen, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt. Ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will. Zum andern fehlt die starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat. Er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben (vgl. hier).

Anmerkung: Dieses Beharrungsvermögen der Bevölkerung dürfte sich mit der standardsprachlich ausgerichteten Schreibweise der Strassenbezeichnungen noch verstärkt haben, da in diversen Gebäudeadressen die herkömmliche Schreibweise des Siedlungsnamen tragen (vgl. obige Liste der Beispiele aus dem Artikel der Thurgauer Zeitung).

In den Flurnamen dominiert die Mundart

Die Schreibregle für Lokalnamen wurden aus den Weisungen 1948 in die Weisungen 2011 übernommen. Im Artikel der Thurgauer Zeitung wurde dabei von der 1. Mundartwelle (resp. 1. Dialektschub) gesprochen. Folgende beiden Regeln in Weisungen 1948 und 2011 machen beispielsweise deutlich, dass eine dem gewohnten, standarddeutsch basierten Schriftbild entgegenkommenden Schreibung (d.h. gemässigte und nicht extremmundartliche Schreibweise) gefordert wird:

Grundsatz 3. In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen:
a. allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot);
b. Präpositionen und häufig gebrauchte Adjektive, insbesondere in Verbindung mit schriftsprachlichen Wörtern, z.B. Bei, Auf; Unterer, Oberer Stafel; Kleine Allmend.
II. Die unbetonten Silben, Art. 7.
das in der herkömmlichen Schreibweise die unbetonte Endsilbe deckende, meist nicht gesprochene -n wird geschrieben:
a. in männlichen Wörtern: Stalden, Schachen, Boden, Graben;
b. in erstarrten Dativen weiblicher Wörter: Halten, Schmitten, Gummen, Luegeten;
c. in Mehrzahlformen: Studen, Rütenen;
d. in der Fuge von Zusammensetzungen: Bärenboden, Rotenberg, Schönengrund, Altenburg.
Begründete Abweichungen von dieser Ordnung regeln die Kantone.

1. Mundartwelle (Weisungen 1948)

Die heutigen Grundsätze der Schweizer Flurnamenschreibung gehen auf den Schweizer Lexikograph und Ortsnamenforscher Guntram Saladin zurück. Er war Redaktor beim Schweizerdeutschen Wörterbuch Idiotikon. Die Regeln der Weisungen 1948, welche von namhaften Sprachwissenschaftlern und Namenforscher unterstütz wurden, bilden notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien.

Die Schreibregeln der Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 dienen zur gemässigten mundartlichen Schreibweise von Lokalnamen mit lokaler Bedeutung. In der Vergangenheit wurden die Schreibweise diverse Siedlungsnamen, welchen grundsätzlich zur allgemeinen Orientierung und als Bestandteil von Gebäudeadressen eine grosse und nicht nur lokale Bedeutung zukommt (entgegen den Regeln) ebenfalls in Mundart geändert. Da jedoch die Unterschiede zwischen den mundartlich veränderten Schreibweisen auf der Landeskarte und der herkömmlichen Schreibweise (wie z.B. auf Ortstafeln) eher klein waren (z.B. Rotbüel, Rotbühl) wurden sie nicht beachtet. Erst die grossen Unterschiede der veränderten Schreibweise der Siedlungsnamen mit der 2. Mundartwelle bezüglich der herkömmlichen führten im Kanton Thurgau zu Widerständen.


2. Mundartwelle (Mundarschreibweise im Kanton Thurgau in Landeskarten ab 1996)

Im Kanton Thurgau wurde die bisherige Schreibung von Lokalnamen nach Weisungen 1948 kurz vor Ende des 20. Jh. als veraltete und nicht zeitgemässe Mundartschreibung angesehen. Es wurde nicht erkannt, dass es sich bei den Weisungen 1948 nicht um irgendeine Mundartschreibung für einen mundartlichen Kontext handelt, sondern um eine speziell auf Karten und Plänen ausgerichtet Schreibung von Lokalnamen. Zudem muss berücksichtigt werden, das wie der berühmte Kartograph Eduard Imhof betonte, auf einem Kartenblatt standardsprachlich und mundartlich geschriebene geografische Namen nebeneinander existieren. Die im Kanton Thurgau neu verwendete Mundarschreibung nach Dieth, welche im Kanton Thurgau (wie auch im Kanton Schaffhausen) die bisherige Schreibung nach Weisung 1948 abgelöste, wurde bereits 1948 als kartengerechte Schreibung verworfen.

Die von der Thurgauer Arbeitsgruppe bei den Gemeinden in Vernehmlassung gegebene Vorschläge zur Rückänderung der Schreibweise der ca. 2'300 Siedlungsnamen (vgl. hier) war auf grosse Akzeptanz gestossen. Die mit der 2. Mundartwelle veränderten Schreibweisen der ca. 18'000 Flurnamen wurden dagegen belassen. Nach der von der Arbeitsgruppe empfohlenen Überprüfung von 33 Flurnamen mit überregionaler Bedeutung (vgl. Tabelle unten) wurde die Schreibweise teilweise zurückgeändert (vgl. Beilage 3).

LK-Blatt Gemeinde ca. 1855-1955 ca. 1956-1995
1. Mundartwelle
ca. 1996-2013
2. Mundartwelle
ca. 2014-
1032 Diessenhofen Buchberg Buechberg Buechbärg Buechberg
1032 Diessenhofen Rodenberg Rodenberg Rodebärg Rodebärg
1052 Hüttwilen Nussbaumersee Nussbaumer See Nussbommersee Nussbommersee 1)
1052 Hüttwilen Steineggersee Hüttwiler See Hüttwiilersee Hüttwiilersee 2)
1052 Uesslingen-Buch Hasensee Hasensee Hasesee Hasesee
1052 Uesslingen-Buch Schaffertsbuck Schaffertsbuck Schaffertspuck Schaffertsbuck
1053 Mammern Hohwacht Hochwacht Hoochwacht Hoochwacht
1053 Frauenfeld Grosse Allmend Grossi Allmend Grossi Allmänd Grossi Allmänd
1053 Thundorf Stähelibuck Stälibuck Stäälibuck Stäälibuck 3)
1053 Frauenfeld Thunbach Tuenbach Tuenbach Tuenbach
1053 Hüttlingen Griesenberger Tobel Griesenberger Tobel Griesebärger Tobel Griesebärger Tobel 4)
1053 Wigoltingen Kemmenbach Chemibach Chemebach Chemebach
1053 Weinfelden Giessen Giessen Giesse Giesse
1054 Weinfelden Ottenberg Ottenberg Ottebärg Ottenberg
1054 Lengwil Emmerzer Weiher Emmerzer Weier Emerzer Weier Emerzerweier
1055 Romanshorn Waldschenke Waldschänggi Waldschenke
1073 Matzingen Thunbach Tuenbach Tuenbach Tuenbach
1073 Bichelsee-Balterswil Haselberg Haselberg Haselbärg Haselberg
1073 Bichelsee-Balterswil Hochwacht Hochwacht Hoochwacht Hoochwacht
1073 Schönholzerswilen Immenberg Immenberg Immäberg Immenberg
1073 Fischingen Hackenberg Hackenberg Hackebärg Hackenberg
1073 Sirnach Sirnachberg Sirnachberg Sirnachbärg Sirnachbärg
1073 Braunau Braunauerberg Braunauer Berg Bruunauer Bärg Bruunauer Bärg 5)
1073 Braunau Brunauer Höchi Bruunauer Höchi Brunauer Hööchi 5)
1073 Wilen Hummelberg Humelberg Hummelbärg Hummelbärg 6)
1074 Schönholzerswilen Grobenbach Grobenbach Grobebach Grobebach 7)
1074 Kradolf-Schönenberg Ruine Heuberg Ruine Heubärg Ruine Heuberg
1074 Zihlschlacht-Sitterdorf Felsenholz Felsenholz Felseholz Felsenholz
1074 Bischofszell Bischofsberg Bischofsberg Bischofsbärg Bischofsberg
1074 Zihlschlacht-Sitterdorf Hudelmoos Hudelmoos Hudelmos Hudelmoos
1074 Hauptwil-Gottshaus Reutiweiher Rütiweier Rüütiweier Rütiweier
1074 Hauptwil-Gottshaus Horbacherweiher Horbacher Weier Hoorbacher Weier Horbacher Weier
1093 Hauptwil-Gottshaus Grat Grat Graat Graat
Unterschiedliche Schreibweisen Flurname / Siedlungsname
1) Nussbommersee / Nussbaumen
2) Hüttwiilersee / Hüttwilen
3) Stäälibuck / Stähelibuck
4) Griesebärger Tobel / Griesenberg
5) Bruunauer Bärg /Brunauer Hööchi / Braunau
6) Hummelbärg / Hummelberg
7) Grobebach / Grobenbach

Medienartikel Beobachter vom 3.04.2011 «Deutsch und deutlich»

Artikel

Artikel Deutsch und deutlich vom 4.3.2011 im Beobachter vgl. hier


Zitat aus obigem Artikel des Beobachters: In den fünfziger Jahren kam eine entsprechende Anweisung vom Bundesrat. "Die haben allerdings nicht alle Kantone gleich interpretiert", erklärt Andreas Keller, Generalsekretär des Thurgauer Departements für Inneres und Volkswirtschaft. Der Thurgau jedenfalls nahm die Aufforderung ernst.


Kommentar

  • Im Artikel vom Beobachter wird nicht wie später im Artikel vom 7.08.2023 der Thurgauer Zeitung unterschieden zwischen:
    • 1. Mundartwelle (Weisungen 1948) und
    • 2. Mundartwelle (von Weisungen 1948 abweichende Schreibung im Kanton Thurgau nach Dieth)
  • Im oben erwähnten Artikel des Beobachters sind mit entsprechender Anweisung vom Bundesrat die Schreibregeln Weisungen 1948 des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements gemeint. Es trifft allerdings nicht zu, dass diese Anweisungen im Kanton Thurgau ernst genommen wurden. Es wurde im Gegenteil gerade eine stark abweichende Schreibweise verwendet wie zum Beispiel die Schreibweise Berg/Bärg, Wil/Wiil zeigen:
    • Weisungen 1948: in der Regel wird auch mundartliche Namen immer Berg geschrieben. Ebenso wird gemäss Weisungen 1948 Wil mit einem -i geschrieben.
    • Mundartschreibweise im Kanton Thurgau dagegen seit ca. 1996: Bärg und Wiil
  • Bezug nehmend zu den Weisungen 1948 schreibt der Mitautor des Thurgauer Namenbuchs Oskar Bandle in einem Artikel der Thurgauer Zeitung im Jahr 1952 zur Schreibung der Lokalnamen im Kanton Thurgau: Wörter, die im Schweizerdeutschen durch eine Kleinigkeit, zum Beispiel eine Vokalnüance, vom Schriftdeutschen abweichen, dürfen ruhig schriftdeutsch wiedergegeben werden. Niemand wird sich einfallen lassen, ein mit offenem e gesprochenes Berg Bärg zu schreiben, das würde ja nur neue Verwirrung stiften. Die seit über 10 Jahren entstandenen Verwirrungen im Kanton Thurgau bezüglich Schreibung der Lokalnamen dürfte nicht auf die Befolgung der Anweisungen Weisungen 1948 zurückzuführen sein, sondern im Gegenteil eher auf deren Nichtbefolgung, da in allen Kantonen, in welchen die Weisungen 1948 bis heute angewendet wurden, gute Erfahrungen mit Weisungen 1948 gemacht wurden.
  • Der Bundesrat hatte noch nie eine Mundartschreibweise für Lokalnamen beschlossen. Er sorgte im Gegenteil dafür, dass die Gebrauchsfähigkeit von Siedlungsnamen wegen der Mundart nicht zu stark strapaziert wurde, indem für die Änderungen der Schreibweise von Siedlungsnamen, welche im Gebrauch der Bundesverwaltung standen, eine Genehmigung durch den Bund bedurften. (vgl. BRB vom 22. Februar 1938)
  • Die Schreibregeln Weisungen 1948 sahen für Lokalnamen von geringer, lokalen Bedeutung nicht irgendeine Mundartschreibweise vor, sondern forderten ausdrücklich eine gemässigte, pragmatische Schreibweise, welche das Schriftbild der traditionellen Schreibweise berücksichtigt (z.B. in der Regel soll immer Berg, nicht Bärg und auch Wil, nicht Wiil geschrieben werden.)
  • In den Landeskarten wurde 1952 - 1992 für Flurnamen eine mundartliche Schreibweise gemäss Weisungen 1948 verwendet, welche kaum Verwirrung gestiftet hat. Einzig wurden Siedlungsnamen (Weiler- und Hofnamen) in der Landeskarte ebenfalls in die Mundartschreibweise verändert (z.B. Fliegenegg in Flügenegg), deren neue Schreiweise aber auf Ortstafeln und Strassenwegweisen wie auch in den Adressen auch nach 50 Jahren keine Beachtung fanden (nur auf Wanderwegweisern). Mit dem Thurgauer Namenbuch wurde eine von den Weisungen 1948 abweichende, Laut betonte und für Karten und Pläne ungeeignete Schreibweise eingeführt, welche dann von der kantonalen Nomenklaturkommission als offizielle Schreibweise beschlossen wurde (z.B. Flüügenegg)


Die Aussage, dass die Weisungen 1948 im Kanton Thurgau ernst genommen wurden, trifft auch daher nicht zu, da bei vielen Lokalnamen entgegen den Weisungen 1948 nicht mehr die Schreibweise der Stationsnamen verwendet wurde (vgl. Unterschiedliche Schreibweisen Thurgauer Lokal- und Stationsnamen).

Geschichte der Schreibweise der Thurgauer Lokalnamen

° 1938 Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938

Bundesratsbeschluss 22,2,1938.jpg

Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938 vgl. hier

Der Bundesrat ist 1938 in diesem Beschluss in keiner Weise auf die Mundartschreibung eingegangen. Erst 1939 hat die Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz für die Ausführungsbestimmungen dieses Bundesratsbeschluss folgenden Grundsatzes verlangt: Für die Schreibweise der [...] Lokalnamen (nachstehend als Flurnamen bezeichnet) muss die im Volksmund lebende Sprechform massgebend sein Quelle Thurgauer Namenbuch Band 1.1 Seite 40. Ein solcher Freipass für die Mundartschreibweise ohne gewisse Einschränkungen zur Normalisierung konnte jedoch nicht gewährt werden. Es dauerte dann noch fast 10 Jahre, bis entsprechende Ausführungsbestimmungen (Weisungen 1948) mit einer Normalisierung der Mundartschreibweise erlassen werden konnten (Siehe oben).


Die im Kanton Thurgau zur Überprüfung der Orts- und Flurnamen eingesetzte Arbeitsgruppe ist gestützt auf die Antwort des Regierungsrates vom 3.8.2009 auf die Anfrage vom Kantonsrat Thomas Merz von folgender Aussage des Bundesrates ausgegangen:

Vor dem Hintergrund des einleitend bereits geschilderten Sprachenstreits in den 1930er Jahren beschloss der Bundesrat am 22. Februar 1938, dass die Lokalnamen auf der geplanten Landeskarte der Schweiz mundartnah geschrieben werden sollten (vgl. 3 Rechtliche Grundlagen, Überblick).

Diese Aussage ist jedoch falsch wie man leicht feststellen kann, wenn man diesen Bundesratsbeschluss liest. Die Mundartschreibweise ist in keinem Satz erwähnt und ist erst mit den 1948 vom Justiz- und Polizeidepartement erlassenen Ausführungsbestimmungen Weisungen 1948 ein Thema geworden. Der Bundesrat selber hat von den Kantonen nie eine mundartnahe Schreibweise für Orts- und Flurnamen verlangt. Mit den Weisungen 1948 wurde im Rahmen von gewissen Schranken eine moderate, möglichst an das traditionelle Schriftbild anlehnende Schreibweise für Namen mit geringer, lokaler Bedeutung vorgegeben (vgl. hier.)

Die Schreibweise nach Weisungen 1948 wurde zwischen 1957 und 1992 im Kanton Thurgau auch auf der Landeskarte angewendet. Es bestand weder aus Sicht der Bevölkerung noch aus Sicht des Bundes ein Handlungsbedarf, 1998 die Schreibweise auf den Landeskarten nochmals zu revidieren.


Der Bundesrat erkannte im BRB 22.2.1938 die Problematik, wenn Siedlungsnamen mundartlich geschrieben werden und verlangte gemäss Art. 5 und 7 im Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938: Namen von bewohnten Orten (Siedlungsnamen), welche im Gebrauch der Bundesverwaltung stehen, sind dem Bund zu Vernehmlassung vorzulegen.

Es ist daher paradox, dass der Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938 als Ursache für die Probleme der Orts- und Flurnamen im Kanton Thurgau, insbesondere der veränderten Siedlungsnamen genannt wird. Dabei spricht sich der Bundesrat in seinem Beschluss in keinem Wort über die Mundartschreibung aus, hält im Gegenteil an den generellen Schreibregeln der Instruktion von 1937 über Erstellung neuer Landeskarten fest und beschliesst, dass die Schreibweise der Namen von bewohnten Orten (Siedlungsnamen), die im Gebrauch der Bundesverwaltung stehen, dem Bund zur Vernehmlassung vorzulegen sind.

° 1948 Weisungen 1948

27.10.1948 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

  • Die Weisungen 1948 propagieren die Beibehaltung der traditionellen, vor allem schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweise für Namen mit grosser Bedeutung, respektive lehnen sich an das Schriftbild der traditionellen, schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweise der Namen an und erlauben eine pragmatische Schreibweise in gemässigter Mundart für Namen mit geringer, lokaler Bedeutung: Art. 7 Weisungen 1948: Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln. Es ist nicht irgendeine Mundarschreibung vorgesehen, sondern eine gemässigte und normalisierte Schreibweise. Merkmale dieser mundartnahen (nicht mundartgetreuen) Schreibweise:
    • Beibehaltung der Schreibweise von bekannten Namenwörtern wie «Berg», «Feld», «Horn» usw. Dadurch wird das von der Standardsprache gewohnte und vertraute Schriftbild auch bei diesen Namen gewahrt.
    • Beibehaltung des in der Mundart nicht gesprochenen Endungs -n (z.B. «Bärenboden»). Dieses -n existiert als Schreibtradition in ca. 40% aller deutschsprachigen geografischen Namen der Schweiz.
  • Durch diesen Kompromiss können sowohl die Anliegen betreffend unserer kulturellen Werte in der Schweiz, wie auch die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung (Forderung einfache Schreib- und Lesbarkeit) als Hauptzweck der Lokalnamen bestmöglich berücksichtigt werden.


Leider wurden die Weisungen 1948 z.T. falsch verstanden:

  • Als Freipass für lautnahe Mundart, obschon die Weisungen 1948 für die Mundartschreibung klare Schranken setzen und eine Normalisierung der Schreibweise vorgeben, indem die Weisungen 1948 das Schriftbild der traditionellen, vielfach schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweise berücksichtigen.
    • Art. 7 Weisungen 1948: Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln wird z.T. verstanden als:
    • Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache. Die im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln werden nur als Beispiele und nicht als Bedingung einer Weisung verstanden, dass in amtlichen Karten und Plänen überhaupt mundartlich geschrieben werden darf.
  • Nach Weisungen 1948 geschriebene Mundartnamen werden z.T. als schriftsprachliche Schreibweise verstanden, da z.T. keine oder nur geringe Unterschiede zwischen der Schriftsprache und Mundartschreibweise bestehen. Wenn man in Mundart z.B. Brot schreibt, so unterscheiden sich die Mundartschreibweise nicht von der schriftsprachlichen Schreibweise. Brot ist nicht nur eine schriftsprachliche, sondern auch eine mundartliche Schreibweise.


Sehr deutlich kommt dieses Missverständnis im Bericht der Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Thurgauer Lokalnamen vom 23. März 2010 im Kapitel 4.2 Andere Kanton zum Ausdruck:

  • Die genannten bundesrechtlichen Vorgaben wurden in den Kantonen unterschiedlich umgesetzt. Vielerorts wurden eigene Schreibregeln entwickelt, weil die Weisungen des Bundes von 1948 veraltet und wenig eindeutig waren. Eine Einheitlichkeit ist aber nicht zu erkennen. In praktisch allen Kantonen lassen sich mundartliche und schriftsprachliche Formen nachweisen, so dass sich kaum klar unterscheiden lässt, welcher Kanton welche Praxis verfolgt. Am ehesten gelingt eine Unterscheidung, wenn man darauf abstellt, wie mit dem in der Mundart nicht gesprochenen Schluss -n (dem sogenannten Guntram-Saladinschen -n) umgegangen wird. Hier zeigt sich, dass nebst dem Thurgau noch die Kantone Bern, Luzern, Schaffhausen und Wallis die mundartliche Form pflegen. In den Kantonen Aargau, Glarus und St. Gallen finden sich verbreitet beide Formen, während die übrigen Deutschschweizer Kantone (ZH, UR, SZ, OW, NW, ZG, SO, BS, BL, AR, AI, GR) das -n überwiegend schreiben, was eher auf Schriftsprache hinweist. Insgesamt scheint es so, dass nur wenige Kantone so konsequent auf Mundart gesetzt haben wie der Thurgau.


Die im obigen Text zuletzt aufgeführten Kantone halten sich eng an die Weisungen 1948. Dazu gehört auch der Kanton St. Gallen, in welchem das -n mit wenigen Ausnahmen ebenfalls geschrieben wird. In diesen Kantonen können Flurnamen meist problemlos für Strassen, Haltestellen und weiteren Namen verwendet werden. Auch wenn das -n nur zum Teil (AG, GL, BE, LU) geschrieben wird, halten sich auch diese Kantone mit Ausnahme dieses -n ebenfalls an die Weisungen 1948 und schreiben z.B. Berg und nicht Bärg. Im Kanton Bern wird z.B. auch Wald und nicht Waud geschrieben. Eine Normalisierung dient der einfachen Schreib- und Lesbarkeit sowie der allgemeinen Akzeptanz.


Die Weisungen 1948 entsprechen den modernen Grundsätzen der Verordnung über geografische Namen (GeoNV) vom 1. Juli 2008: Art. 4 Grundsätze

  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.


  • Je besser Kantone die Schreibung der Lokalnamen an obige Grundsätze resp. Weisungen 1948 ausrichten, desto besser kann die Schreibweise der Lokalnamen universell genutzt und z.B. für die Schreibung von Strassennamen, insbesondere benannte Gebiete verwendet werden. Es kann damit weitgehend vermieden werden, dass für eine einzige Örtlichkeit zwei Schreibweisen existieren.
  • Je mehr Kantone die Schreibung der Lokalnamen nicht an obige Grundsätze resp. Weisungen 1948 ausrichten, desto mehr dürfte es an allgemeiner Akzeptanz mangeln und desto mehr muss damit gerechnet werden, dass die Medien nicht akzeptable Schreibweisen kritisieren respektive dass nicht akzeptierte Schreibweisen rückgeändert müssen.

° 1952 Oskar Bandle kündet Schreibung der Thurgauer Lokalnamen nach Weisungen 1948 an


° 1948-1958 Anwendungen der Weisungen 1948 im Kanton Thurgau

Weisungen 1948 stellen einen Kompromiss dar zwischen Anliegen der Namenforschung und den Benutzern von Karten und Plänen. Verschiedenen Benutzern gehen die Zugeständnisse an die Mundart in den Weisungen 1948 zu weit. Auch die kantonale Aufsichtsbehörde der amtlichen Vermessung im Kanton Thurgau sah keinen Anlass, die eingebürgerte und etablierte Schreibweise der Lokalnamen im Kanton Thurgau zu ändern. Vor allem bei den Siedlungsnamen ist diese Opposition berechtigt, wenn man die Geschichte der Schreibweise der Lokalnamen im Kanton Thurgau betrachtet. Oskar Bandle schreibt in seinem Artikel von 1952 in der Thurgauer Zeitung, dass Siedlungsnamen in der traditionellen Schreibweise belassen würden. In der Schweiz wie auch zwischen 1952-1958 auf der Landeskarte im Kanton Thurgau wurden jedoch zahlreiche Weiler- und Hofnamen ebenfalls von der traditionellen Schreibweise in eine mundartnahe Schreibweise geändert. Bei der Etablierung der neuen Landeskarten von 1952-1958 im Kanton Thurgau wurde die amtliche Vermessung, welche die Orts- und Flurnamen in der traditionellen Schreibweise belassen wollte, umgangen, indem der damalige Staatsarchivar geänderte Schreibweisen für die neuen Landeskarten geliefert hat (vgl. Zur Geschichte des Thurgauer Namenbuches, Thurgauer Namenbuch Band 1.1 Seite 41-44). Es wurden dabei auch mit finanziellen Vorteilen argumentiert (Seite 42): Anfangs 1950 ersuchte Bruno Meyer beim Regierungsrat um einen Beitrag aus dem Lotteriefonds für die wissenschaftliche Namenerhebung. Der Staatsarchivar macht nun einen geschickten Schachzug (Brief an Regierungsrat R. Reutlinger vom 6.1.1950):

  • Wie Sie aus dem beiliegenden Antrag ersehen, habe ich die Aufnahme gewissermassen als wissenschaftliches Unternehmen aufgezogen und zwar aus dem Grunde, weil es so dem Kanton bedeutend billiger kommt. Das hat auch den Vorteil, dass das Staatsarchiv diese Arbeit leiten kann, ohne dass irgendwelche vielleicht mögliche Konflikte mit dem Vermessungsamt entstehen. Wird die Flurnamenaufnahme so begonnen, ist der Kanton noch völlig frei, mit der Nomenklaturkommission zu machen was er will; die Grundlagen für deren Arbeit ist aber bereits vorhanden.


Die Haltung des damaligen kantonalen Vermessungsamtes deckt sich weitgehend mit den Erkenntnissen der 2009 eingesetzten Arbeitsgruppe im Kanton Thurgau vgl. Bericht Kap. 4.3 vom 23. März 2010 der Arbeitsgruppe:

  • Entsprechend problematisch ist es, wenn kleine Weiler und Einzelhöfe ohne wirklich erkennbaren Grund umbenannt werden. Solche Ortsnamen sind mit einem Heimatgefühl verbunden, das sich die Bevölkerung ohne wichtige Gründe nicht nehmen lassen will. Bezeichnenderweise ist den Mitgliedern der Arbeitsgruppe in ihren langjährigen Tätigkeiten im Kanton oder in den Gemeinden nie der Wunsch der Bevölkerung nach einer Umbenennung der vertrauten Ortsnamen zu Ohren gekommen. Insofern traf die von der Nomenklaturkommission verfolgte Praxis wohl nicht die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung.
  • Die Bevölkerung dürfte - nach den heute überwiegenden Reaktionen zu urteilen - primär an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sein, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben sind. Dabei weisen die Ortsnamen meist eine schriftsprachliche Form auf, während es bei den Flurnamen auch unzählige traditionelle Mundartformen gibt. Eine konsequente Umbenennung dieser Mundartnamen in Richtung Schriftsprache würde dabei wohl auch für viel Unmut sorgen.
  • Die Sicherung der Mundart als Kulturgut ist zweifellos ein gewichtiger Aspekt bei der Erhebung der Namen. Wenn die Namen aber im Rahmen der amtlichen Vermessung erhoben werden, darf auch nicht vergessen werden, dass sie letztlich ihren Niederschlag in der Landeskarte finden. Karten dienen der Orientierung; und zwar nicht primär der Einheimischen, die ihre Gegend ohnehin schon kennen, sondern der Orientierung der Fremden. Dieses Anliegen - welches gut lesbare Formen besonders bei den für Fremde interessanten Objekten verlangt - wurde wenig berücksichtigt.


° 1996-2010 Kantonale Nomenklaturkommission übernimmt Schreibweise des Thurgauer Namenbuchs

Die kantonale Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau übernimmt ab ca. 1996 für die Schreibung der offiziellen Lokalnamen die extremmundartliche Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs. Detaillierte Geschichte über die Schreibung der Lokalnamen im Kanton Thurgau vgl. Lokalnamen.ch


° 2004 «Mundart versus Schriftsprache» Thurgauer Zeitung


° 2005 «Topografie: Wo Unsinn einen Namen hat» Beobachter


° 2007 «Schweiz stoppt Dialektwelle» Deutschlandradio

  • Schweiz stoppt Dialektwelle, Deutschlandradio


° 2008 Geoinformationsgesetzgebung, Verordnung über geografische Namen (GeoNV)

Wichtige Grundsätze gemäss Art. 4 Verordnung über geografische Namen (GeoNV):

  • Art. 1 Zweck
    • Geografische Namen sollen im amtlichen Verkehr sowie in allen amtlichen Informationsträgern einheitlich verwendet werden.
  • Art. 4 Grundsätze
  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.


Die Probleme, welche mit den Abweichungen der Schreibweise der Lokalnamen von den Weisungen 1948 entstanden, machen sich besonders in der Verwendung von geografischen Namen als Geoinformation bemerkbar.

Geoinformation und Lokalnamen vgl. hier


° 2009 «Aus Roopel wird wieder Rotbühl»

Zahlreiche Medien berichteten über die Opposition gegen die extreme Mundartschreibweise.


° 2009/2010 Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Schreibweise der Lokalnamen

Im Kanton Thurgau wurde aufgrund der grossen Opposition in den Medien, Politik und in der Bevölkerung eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Schreibweise der Lokalnamen eingesetzt. Bericht vom 23. März 2010 der Arbeitsgruppe vgl. hier.

Empfehlungen für die Schreibweise der Orts- und Flurnamen (vgl. 6.1)

  • Die Schreibweise der Ortsnamen (besiedelte Gebiete) soll sich nach der traditionellen Schreibweise richten. Auszugehen ist vom Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis der Dienststelle für Statistik.
  • Flurnamen, denen ein allgemeines Interesse oder eine über das Lokale hinausgehende Bedeutung zukommt, sollen ebenfalls nach der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise bekannte Ausflugsziele und Naherholungsgebiete mit touristischer Bedeutung.
  • Die Schreibweise der übrigen Flurnamen (unbesiedelte Gebiete ohne besondere Bedeutung) soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.


Erkenntnisse der Arbeitsgruppe vgl. hier


° 2010 Zweisprachige Thurgauer Wanderkarte

Im Jahr 2010 hat der Verlag Huber unter der Projektleitung von Clemens Wägner die zweisprachige Thurgauer Wanderkarte herausgegeben. In dieser speziellen Karte sind neben den extremmundartlich veränderten und ab 1996 in der Landeskarten kartierten Siedlungsnamen (z.B. Roopel) in grüner Schrift wieder in der herkömmlichen, schriftsprachlich ausgereichten und von der Bevölkerung bevorzugten Schreibweise (z.B. Rotbühl) beschriftet.

° 2011 Rückänderungen der Schreibweisen von Lokalnamen im Kanton Thurgau

Im Kanton Thurgau müssen zahlreiche Ortsnamen rückmutiert werden.

Siehe auch

Beispiele von veränderten Schreibweisen im Kanton Thurgau


Schreibregeln


Allgemeines zu Schreibweise von Lokalnamen


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